Was macht man als Student, wenn man unbedingt Tischkicker trainieren will? Schon alleine, um gut auszusehen im Freundeskreis? Man baut sich einfach seinen eigenen Tischkicker. Klar. Vielleicht nicht für jeden. Für André Mirtschink schon. Der 34jährige Schlacks verblüfft auf ganzer Linie. Als gebürtiger Sorbe lernte er erst in der Schule Deutsch. „Vorher nur ein bisschen bei der Sendung mit der Maus.“ Ganz früh wusste André aber schon, dass Naturwissenschaften sein Ding sind. Das machte sich in entsprechend guten Noten fest und so schrieb er sich nach dem Abitur konsequent für ein Chemiestudium ein. Zielstrebig absolviert er an der TU Dresden sein Diplom, will weitermachen, eine Professur in theoretischer Chemie schwebt ihm vor. „Mein Lebenslauf war darauf aufgebaut“. Präzise mathematische Beschreibungen liegen ihm. So wählt er sein Forschungsthema aus „Computersimulation der Photosynthese“.
Vier Jahre nimmt er sich für die Promotion, Forschung und Lehre inbegriffen. Das Ganze in Amsterdam, nachdem er bereits ein mehrmonatiges Forschungspraktikum in Toulouse hinter sich gebracht hat und für jeweils zwei Monate zu Forschungszwecken in Brasilien und Südkorea war. „In der Freizeit habe ich immer versucht, wenigstens ein bisschen von der Landessprache zu lernen.“
Mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft geht er dann nach Spanien. Dort, in San Sebastian, kommen ihm erste Zweifel, ob er den Weg weitergehen will. Der Zwang, im chronisch unterfinanzierten Bildungsbereich ständig, um Geld für die nächsten Projekte kämpfen zu müssen, schreckt ihn ab. Und so wendet er sich einer alten Leidenschaft zu. Dem Handwerk. „Mich interessierten die technologischen Aspekte bei handwerklichen Prozessen. Also habe ich mir meine erste kleine Werkstatt aufgebaut.“ Um Freiraum für sein Tun zu finden, entscheidet er sich, das Meer zu verlassen. „Ich hatte nach neun Jahren Nomadenleben ein starkes Bedürfnis nach kultureller Stabilität.“ Also geht er zurück in die alte Heimat. In der ehemaligen Tischlerei auf dem Bauhof seines Vaters gestaltet sich André seine erste voll eingerichtete Werkstatt und besinnt sich der alten Leidenschaft für’s Kickern. „Als Jugendliche mussten wir immer abwägen, ob unser Geld für ein weiteres Bier reicht oder für´s nächste Spiel.“ Und weil der Sieger nichts bezahlen brauchte, war der selbst gebaute Trainings-Kickertisch bald Gold wert. „Nicht wirklich ästhetisch wertvoll, aber funktionell.“
Ein Gründungsstipendium und Hilfen aus dem InnoStartBonus Programm, welches vom Land Sachsen finanziert wird,lassen „Rabatz – Kickermanufaktur” das erste Jahr überstehen. In der Zeit entstehen Prototypen, werden Ideen entwickelt und zur Reife gebracht. Oder verworfen. „Ich habe nebenbei auch noch Konstruktionszeichnungen als Auftragsarbeit gemacht oder mir mit Helferarbeiten im Handwerk was dazu verdient.“ Derzeit bemüht sich André um eine Einordnung als freiberuflicher Möbeldesigner beim Finanzamt und die Anmeldung seines Gewerbes. Denn erst dann kann er seine Kicker auch bewerben und verkaufen.“
Als André hört, dass im nahegelegenen Bautzen Räume frei sind, die seinen Vorstellungen vom vernetzten Arbeiten entsprechen, trommelt er Mitstreiter zusammen und wird Gewerbemieter in der Tuchmacherstraße. Büro, Werkstätten und Aufenthaltsräume gehen dort heute fließend ineinander über, genau wie die unterschiedlichen Erfahrungen der Beteiligten. Ein Trägerverein ist in Gründung. Neben dem Verkauf der individuellen Kickertische will André sein Wissen an Schüler weitergeben. „Wenn eine Schule einen Kicker für die Freizeitgestaltung kaufen will, biete ich gleich noch Workshops an. Dann kriegen die Kids von Grundtechniken wie Schrauben bis zu ersten Einblicken in die Digitalisierung im Handwerk einiges mit.“ Und wer werden die Kunden sein für die nicht ganz preiswerten Spielgeräte? „Das stimmt, billig sind die Tische nicht. Industriell gefertigt kosten sie um die 2.000 Euro. Meine Designerstücke werden ungefähr bei 3.000 Euro beginnen. Je nach Material und künstlerischem Anteil kann der Preis noch weit nach oben steigen.“ Firmen, Bildungseinrichtungen und wohlhabende Privatkunden hat André Mirtschink vor Augen. Und ist damit noch längst nicht am Ende seiner Visionen.
Eine offene Werkstatt mit moderner Ausstattung schwebt ihm vor, „um jungen Leuten aus der Umgebung Zugang zum handwerklichen Arbeiten zu verschaffen“. Und auch das eigene Sortiment soll nicht bei den Kickertischen stehen bleiben. „Wir erweitern uns ständig. In Kollaboratorien entsteht immer mehr als die Summe aller Teile.“ Die Grenzen setzt meist nur der eigene Kopf.
Text: Axel Krüger | Fotos: Paul Glaser