42 lausitzstarke Geschichten hat unsere kleine Redaktion seit Februar 2020 veröffentlicht. Das bedeutete 42 mal den Schreibblock einpacken, das Navi programmieren und voller Spannung unterwegs sein zu den Menschen, die sich darauf einlassen, uns ihre spezielle Geschichte zu erzählen.

Ganz häufig dabei mit im Gepäck, unser Fotograf Paul Glaser. 1987 in Dresden-Trachau geboren, zog er mit der Familie im zarten Alter von acht Jahren nach Görlitz. Bereits als Dreijähriger, so erinnert er sich, saß er begeistert vor einem Blatt Papier und malte, hörte dazu Hörspiele und träumte sich in seine eigene Welt. Kunsterziehung wurde folglich sein Lieblingsfach in der Schule, „in jedem Fall das mit den besten Noten“.

Ganz sicher ist sich Paul heute nicht mehr, wann er die erste, damals noch analoge Kamera in den Händen hielt. „Es könnte zur Jugendweihe gewesen sein.“ Nach dem Realschulabschluss schlug ihm ein Berufsberater vor, sich zum Bauzeichner ausbilden zu lassen. Paul entscheidet, dass Gestaltungstechnischer Assistent viel besser klingt, bewirbt sich in einer staatlichen Berufsschule in Zittau und schließt 2006, nach zwei Jahren täglicher Pendelei mit der Lausitzbahn, erfolgreich ab.

„Das tolle an der Ausbildung ist die Vielfalt, wir haben wirklich alles gemacht. Zeichnen, Kalligrafie, Gestalten am Computer, Kunstgeschichte, Drucklegung, Fotografie.“ Die Arbeitsmarktlage ist zu dieser Zeit nicht wirklich rosig in der Region, wegziehen in eine westdeutsche Großstadt, wo die Chancen besser gewesen wären, kommt für ihn aus familiären Gründen nicht in Frage. Der Zivildienst dient der Orientierung.  Er schippt Schnee, fegt die Flure und führt kleinere Dienstleistungen in einem Obdachlosenheim aus, korrekt soziale Wohnstätte für Obdachlose und Haftentlassenen. „Eigentlich war das ganz chillig. Wir haben, glaube ich, ziemlich viel Tischtennis gespielt.“ Die Begegnung mit den speziellen Bewohnern prägt ihn. Er bekommt Einblicke in ein soziales Milieu, mit dem er zuvor selten Kontakt hatte. „Ich will aber betonen, dass ich in den neun Monaten dort nicht ein negatives Erlebnis hatte.“ In dieser Zeit lernt Paul Glaser seine heutige Frau kennen, klassisch auf einer WG-Party. „Die Fete ging ziemlich lang, soweit ich mich erinnern kann.“

Gegen Ende des Zivildienstes, wieder ist Orientierung gefragt, macht ihn ein Bekannter auf die Jobmöglichkeiten im Callcenter aufmerksam. Glaser schickt ohne große Hoffnung eine Bewerbung ab und kriegt sofort eine Zusage. „Das sollte eigentlich nur vorübergehend sein, so für ein Jahr.“ Er fängt als Telefonist an, branchentypisch Call Center Agent genannt. „Ich habe da Leuten geholfen, die nicht ins Internet gekommen sind.“ 2011 dann der erste Fotografie-Auftrag: Eine Cousine seiner Freundin heiratet auf Schloss Augustusburg und bittet ihn, das Ereignis für die Ewigkeit festzuhalten. Mit allem, was dazugehört. „Ich habe völlig blauäugig zugesagt und den Job aus dem Bauch raus gemacht. Aber das Brautpaar war happy.“ Schnell spricht sich im großen Kollegenkreis rum, dass man den Fotografen für ein ziemlich schmales Geld buchen kann. „Ich habe drei Jahre lang mit dem Gewerbe dem Finanzamt ständig Verlust gemeldet, das fanden die nicht lustig.“ Im vierten Jahr dreht sich der Spieß, die Aufträge nehmen zu und seine Honorare auch. Im August 2015 kündigt er im Call Center, dreht nochmal eine Schleife in der Unternehmenskommunikation des Görlitzer Klinikums und etabliert sich als weit über die Region hinaus gefragter Fotograf. „Hochzeiten mache ich immer noch gerne, die großartigste war tatsächlich in Indien. Da habe ich sage und schreibe vier Tage lang durchfotografiert und mir einen großen Traum erfüllt.“ Längst sind Reportagen dazugekommen, Industrieaufträge, Werbearbeiten. „Ich kann gut davon leben.“

Hier könnte die Erfolgsgeschichte des Fotografen Paul Glaser enden. Weil Paul und der Autor dieser Geschichte aber viel Zeit miteinander verbracht haben, auf den Fahrten durch die sechs großen Landkreise der Lausitz, soll noch ein Abbinder kommen. Was, so hatte es unser Auftraggeber einst gefragt, was könnte das verbindende Element der Menschen in der Lausitz sein? „Viele“, so lautete damals unsere Antwort, „haben Veränderungen erlebt und sind daran erstarkt. Die Lausitzer prägt, gleichzeitig traditionsbewusst zu sein und ohne Angst in die Zukunft zu blicken.“ Paul hat auf einer der Fahrten von seiner Dresdner Oma erzählt. Als kleiner Junge war er oft bei ihr und er erinnert sich an die Faszination von großen Werbebildern, die bei ihr auf dem Stubentisch lagen. Pauls Großmutter war Assistentin in einem Fotoatelier. „Sie hat in der Dunkelkammer Bilder entwickelt, Fotoretuschen gemacht und sie ist mit dem Chef auf dem Moped über die Dörfer gefahren, um Hochzeiten zu fotografieren.“

Es sind die langen Bögen, die diese Landschaft prägen. Und ihre Menschen.

Text: Axel Krüger / Fotos: Paul Glaser, Patricia Haas und Daniel Arnold (Indien)