Dirk Schubert schätzt Präzision. Für den Chef eines Metallbaubetriebes nicht weiter verwunderlich. Wenn die Kohlestaubbrenner, die in der Markersdorfer Werkshalle säuberlich nebeneinander stehend auf den Abtransport in die Türkei warten, nicht mit höchster Präzision gefertigt würden, hätte der Kunde beim Einbau ein Problem. Und dann ganz schnell auch Metallbau Schubert. Mit leicht wehmütigem Blick guckt Schubert beim Werksrundgang mit dem Fotografen auf die gigantischen Brenner. Es sind wahrscheinlich die letzten ihrer Art, die seine Firma an einen europäischen Abnehmer liefert. Für eines der letzten Kohlekraftwerke, die in Europa noch in Betrieb gehen. Dann ist Schluss mit dieser Technologie.

Viel Zeit für Wehmut lässt sich der 38jährige nicht. Dafür liegen zu viel Aufgaben vor ihm und den knapp 150 Mitarbeitern. Aufgaben, denen er sich gemeinsam mit seiner zwei Jahre älteren Schwester in der Geschäftsführung gerne stellt. Natürlich hätten sie beide weggehen können, nach dem Studium. Irgendwo in den Westen. Aber sie wollten nicht. Schon als er elf Jahre alt war, sagt Dirk Schubert, sei für ihn klar gewesen, dass er eines Tages in die vom Vater Reiner Schubert als Handwerksbetrieb gegründete Firma einsteigt.

Die absehbare Belastung schreckte ihn und seine Schwester Kerstin nicht. „Trotz aller Arbeit war unser Vater immer für uns da, wenn wir ihn gebraucht haben.“ Aber sie seien beide auch nicht gedrängt worden. „Vater hat immer gesagt, wenn wir zu ihm kommen, muss das völlig freiwillig sein. Er wusste, was er von uns verlangen würde und dass der Name Schubert allein ganz sicher keine Sonderrechte bringen würde. Ganz im Gegenteil.“

Nach dem Stahl- und Metallbaustudium ging Dirk Schubert erst einmal für knapp ein halbes Jahre nach Halle „um meine Anfängerfehler woanders zu machen“. Ein weiteres ¾ Jahr arbeitet er bei der Firma Schüco im Projektbüro in England, um den Blick für internationale Aufgaben zu schärfen. 2007 dann der Einstieg in Markersdorf, als Bereichsleiter Metallbau. „Das Rollenverständnis innerhalb der Familie war klar. Das letzte Wort hatte unser Vater. Immer.“ Und die altgedienten Kollegen, sind die dem Junior am Anfang nicht misstrauisch entgegengetreten? „Die Leute merken schon, wenn man was kann oder nicht.

Und außerdem: wer die Hitze nicht verträgt, hat in der Küche nichts zu suchen.“

Als sie 2011 den Übergang planen, hatten sie die Illusion, dass man das gleitend gestalten kann. „Wir haben uns dann nach vielen Beratungen für einen harten Schnitt entschieden. Das war wohl auch besser so.“ Im Sommer 2017 verkündet Reiner Schubert, dass er zum Ende des Jahres die Geschäftsführung abgeben und den Betrieb verlassen wird. Die Belegschaft nimmt das zur Kenntnis. „Ich glaube, unser Vater war fast enttäuscht, dass keiner der Mitarbeiter überrascht war.“

Familiär sei ein Unternehmensübergang eine Riesenbelastung, gibt Dirk Schubert unumwunden zu. „Es ist leichter, eine Firma an einen fremden Dritten zu verkaufen.“ Das wäre aber für sie nie in Frage gekommen. „Wir leben hier im ländlichen Raum. Wenn die Firma wackelt, spüren wir das ganz persönlich bei jedem Gang zum Bäcker und zum Fleischer. Bei allen unterschiedlichen Meinungen war immer eins klar: die Arbeitsplätze der Kollegen waren wichtiger.“

Führen die beiden denn heute anders, als die Mitarbeiter es vom Vater gewohnt waren? „Ich glaube, wir können besser loslassen. Wir lassen mehr Freiräume zu. Das ist für die, die mitdenken und sich aktiv einbringen gut. Diejenigen, die immer nur auf Vorgaben warten und sich verstecken, fallen schnell auf.“ Als klaren Vorteil eines Mittelständlers sieht Schubert die Möglichkeit, flexibel auf Nöte der Mitarbeiter reagieren zu können. „Das geht in einem streng durchstrukturierten Großbetrieb, wo der einzelne nur noch eine Kennzahl ist, kaum.“ Und wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Das sei wirklich ein Problem geworden. Das Handwerk habe ein Imageproblem und das zu spät realisiert. Viele junge Leute wollten sich nicht mehr die Hände schmutzig machen und hätten die Vorstellung, schnell viel Geld verdienen zu können. „Wie ihre Vorbilder auf YouTube.“

Aktuell bildet Metallbau Schubert zwei junge Afghanen, die mit dem Status „unbegleitete minderjährige“ nach Deutschland kamen und mittlerweile unter dem Status „Gestattung“ in Deutschland leben, zur Fachkraft für Metalltechnik und Konstruktionsmechaniker aus. Reza Azimi und Abdul Hossein Rahimi. „Klasse Jungs“, lobt Chef Schubert. „Nach ganz kurzer Anlaufzeit, seien die beiden echte Volltreffer. „Sie bemühen sich selbständig um Integration, lernen intensiv Deutsch. Einer kam sogar zur Weihnachtsfeier, um zu verstehen, was uns das bedeutet.“ Als respektvoll, zuverlässig und sehr dankbar beschreibt der Diplom-Ingenieur die beiden Auszubildenden. Und kann seinen Ärger kaum zurückhalten, wenn er daran denkt, dass sie mit dem Ende der Ausbildung möglicherweise sofort abgeschoben werden. „Es wäre für alle ein Gewinn, wenn garantiert würde, dass sie danach wenigstens noch drei Jahre bleiben und arbeiten dürften. Dann sind sie gute Facharbeiter und könnten wenn sie zurück geschickt werden würden in ihrer Heimat viel mehr bewirken.“

Was wünscht sich Dirk Schubert für die Region? „Nicht der Großindustrie nachrennen. Wenn die Konzerne es für richtig halten, schließen sie ein Werk, ohne mit der Wimper zu zucken. Keine Milliardenhilfen mit der Gießkanne verteilen. Bessere Verbindungen auf der Straße und im Netz. Gescheite Kinderbetreuung, die auch was kosten darf. Da wissen meine Frau und ich aus eigener leidvoller Erfahrung, woran es hapert.“ Da war sie wieder, die Schubertsche Präzision. Drumherum reden ist nicht so seins. Aber er will nicht nur mit Forderungen enden.

„Von München aus brauchen Sie auch eine Stunde, bis Sie auf der Skipiste stehen. Wie hier. Wir haben hier die tollsten Städte wie Prag, Breslau, Dresden, Liberec und Berlin vor der Haustür. Wir leben hier wirklich nicht am Ende der Welt.“

Text: Axel Krüger | Fotos: Paul Glaser