Eigentlich wollten Fotograf Paul Glaser und der Schreiber ja nur mal schnell einen Blick in das Körbchen werfen. Eigentlich. Das Körbchen war uns unter seinem Familiennamen „Ein Korb voll Glück“ in den letzten Wochen immer mal wieder über den Weg gelaufen und hatte unsere Neugier geweckt. Der Name war ja auch zu schön und könnte doch bestens in’s UnbezahlbarLand passen. Also haben wir in der Redaktionskonferenz besprochen, nach Rosenthal zu fahren, Anja Nixdorf-Munkwitz ein paar Fragen zu stellen, was es mit dem Körbchen so auf sich hat und mit der Geschichte und ein paar guten Bildern zurückzukommen. So weit der Plan. Eigentlich.
Eigentlich ist Rosenthal ja ganz leicht zu finden. Rosenthal ist ein Ortsteil von Zittau. Also fahren wir von Görlitz nach Zittau und fragen die für ihre Freundlichkeit weit und breit bekannten Zittauer nach dem Weg. „Eigentlich ganz einfach“, sagen die freundlichen Zittauer. „Ihr müsst nur wieder so in etwa den halben Weg zurückfahren und dann kurz nach Hirschfelde rechts weg. Ist nicht zu verfehlen.“ Danke.
Der kleine Ort ist spektakulär. Spektakulär steil. Wie die Schwalbennester kleben die Häuser an den sich schwindelerregend nach oben oder unten – wie immer eine Frage der Perspektive – windenden Straßen. Spektakulär dick ist auch der Kater, der hinter der Haustür von Anja Nixdorf-Munkwitz liegt, schläft und sich nicht im mindesten für die beiden Fremden interessiert, die gerade in sein Hoheitsgebiet eindringen. Darf man dick zu anderer Leute Kater sagen? Anja nickt mit der gütigen Milde einer passionierten Teetrinkerin. Der Dicke ist eh nur zu Besuch. Kommt jeden Morgen aus der Nachbarschaft rüber, schläft ausgiebig im Hausflur, schaut dann kritisch, was ihm zu fressen angeboten wird und trollt sich schließlich Richtung Garten, um den Mäusen unter dem Holzstapel Hallo zu sagen.
Einfach rausgehen können, ein Feuer machen unter dem Sternenhimmel, das war es, was Anja und ihren Mann nach guten Jahren in der Stadt wieder nach Rosenthal gebracht hat, auf`s Land. Sie ist hier geboren. „Natur war immer prägend für mich. Ich brauche keinen Saisonkalender.“ Schon als Kind hat sie gelernt, einen Baum ohne Blätter am Schattenriss zu erkennen. Einfach so. „Das haben wir nicht aktiv eingeübt. Das kam halt.“ Genau wie das Kochen. „Wir haben da früher nicht so viel drüber geredet. Es war irgendwie selbstverständlich, das zu nehmen, was die Jahreszeit gerade hergab und gut.“ Geschmeckt hat es trotzdem.
Erst ihr Mann, der leidenschaftlich gerne kocht, hat ihr die Sinne für die feinen Unterscheidungen geschärft. Mit ihm konnte sie ausgiebig über den Wochenmarkt bummeln, damals, in der Stadt, in die Fülle des Angebotes abtauchen. Saisonale Gemüse und Früchte, Fleisch von seltenen Rassen, vor Glück glänzende Eier wanderten dabei in ihren Korb. In Rosenthal gab es keinen Wochenmarkt. „Also hab ich mir den nachgebaut.“ Eine Nachbarin hatte eine Schafzucht. Eine andere zeigte ihr stolz den schönsten Hahn der Welt. So ging es weiter. Anja sagt, man erschließt sich eine Landschaft, wenn man sie nutzt. Der Satz klingt lange nach.
„Wenn ich erschöpft aus dem Büro falle, fahre ich zum Gärtner, zum Biohof, zu Menschen voller Leidenschaft. Das lädt mich auf.“ Aber sie sieht auch das Defizit der Produzenten. „Leute, die 14 Stunden im Stall sind oder auf dem Feld und dann noch die immer mehr ausufernde Behördenbürokratie erledigen müssen, die haben keine Kraft für die Vermarktung. Dazu müssen sie gegen die Discounter mit ihren Niedrigpreisen ankommen. Und das in einer Region, die nicht als betont genussorientiert gilt.“ Und so kam sie auf die Idee mit dem Körbchen. „Ein Korb voll Glück“ will Geschichten von den guten regionalen Produkten erzählen. Und wo könnte man bessere Geschichten über Lebensmittel erzählen, als am Herd? Anfangs hat sie nur für sich und ihren Mann gekocht und Bilder davon gemacht. Dann kamen Freunde dazu. Im letzten Herbst gab es die erste Anfrage für ein Catering. Weit über 100 Teilnehmer einer Konferenz sollten versorgt werden. Sie hat es mit ein paar Helfern geschafft. Und jede Menge Zuspruch bekommen.
Jetzt schaut die studierte Kulturmanagerin, was aus dem Körbchen wird. Tagsüber, in ihrem Brotberuf als Geschäftsführerin einer Stiftung, muss sie sehr strukturiert vorgehen, Rücksicht auf ganz unterschiedliche Interessen nehmen und strategisch planen. „Bei meinem Körbchen ist das ganz anders. Es fühlt sich herrlich an, einfach so in den Fluss der Ereignisse zu springen und sich treiben zu lassen. Ohne zu wissen, wo man landet.“ Sie schreibt in einem Blog alles auf, was sie entdeckt. Alte Tomatensorten, einen besonderen Bioziegenkäse, essbare Wildkräuter. Und sie plädiert an jeder passenden Stelle dafür, dass diese Produkte mehr kosten dürfen, als industriell erzeugte. Inzwischen steht ein Regal mit hiesigen Köstlichkeiten prominent im Foyer des Landratsamtes. Wieder ein Schritt.
Eigentlich hatten der Fotograf und der Schreiber eine halbe Stunde für den Termin in Rosenthal eingeplant. Eigentlich. Die wunderbaren Geschichten, der Zauber, den Anja Nixdorf-Munkwitz ohne sich anstrengen zu müssen, versprüht, haben uns im besten Sinne gefangen genommen. In der Kladde ist noch Stoff für wenigstens drei weitere Geschichten. Und der dicke Kater musste ja schließlich auch noch ausgiebig gestreichelt werden.
Text: Axel Krüger | Fotos: Paul Glaser
[…] der Produzentinnen und Produzenten im Food_Bereich einsetze. Dadruch habe ich einerseits viele gute Geschichten, die gern aufgegriffen werden, um ein schönes Bild der Lausitz zu zeichnen. Vor allem aber […]