Wir besuchen bei schönstem Sommerwetter den Moosmutzel – Hof in Kollm am Quitzdorfer Stausee. Hier sind wir mit Eva-Christine Hoffmann verabredet. Sie führt mit viel Herzblut den Hof seit über 15 Jahren. Die ausgebildete Ergotherapeutin hat sich 2004 dort mit ihrer Praxis selbstständig gemacht und ist mit vier Pferden eingezogen. Schon seit Kindertagen war der Wunsch groß, mit Pferden zu arbeiten. Die Idee, beides miteinander zu verbinden, gelang durch die tiergestützte Therapie. Auf dem therapeutischen Bauernhof stehen neben der Ergotherapie auch heilpädagogisches Reiten sowie Psychotherapie inklusive Systemischer Familienaufstellungen auf dem Programm.

Begleitet von zehn Pferden, drei Schweinen, zwei Schafen, einer Ziege sowie Hunden und Katzen wird eine ganzheitliche Therapie mit einem Team von zwei Ergotherapeutinnen angeboten. Unterstützt werden sie durch zwei weitere Angestellte im Büro und in der Tierpflege, beide zusätzlich als Therapiehelfer ausgebildet. Das Ziel ist, den Patienten die Freude am Leben zu zurückzugeben oder bei motorischen-, oder psychischen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen zu helfen.

Pferde bewegen Menschen und bieten sich als Therapeut hervorragend an, da sie die Gemütslage spiegeln können. „Für den therapeutischen Einsatz muss man natürlich den Charakter des Pferdes kennen“ sagt Frau Hoffmann. Auch die Rasse spielt eine Rolle: „Der robuste Kaltblüter eignet sich sehr gut für die Reittherapie bei gehbehinderten Patienten“. Gerade bei Kindern sei eine emotionale Verbindung zu Tieren oft stark ausgeprägt, wodurch Tiere helfen, ihre Motorik erheblich zu verbessern, ebenso ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung. Die Kinder lernen, mit Ängsten umzugehen, Vertrauen aufzubauen und sie lernen, Verantwortung zu übernehmen, indem sie sich um das Wohlbefinden der Tiere kümmern. Die Therapie beginnt nicht auf dem Rücken des Tieres, sondern bei der Pflege und Fütterung des Pferdes.

Der Verein Moosmutzel – Hof e.V. hat sich 2006 aus vorrangig ehemaligen Patienten gebildet. Es finden regelmäßige offene Kinder- und Jugendfreizeitgruppen statt, wie dienstags und freitags das Bambini Treffen für 3-7jährige. Außer der Bambini Gruppe gibt es noch die Kidsgruppe für 8- 12jährige. Am Samstagvormittag treffen sich die Teenies ab 12 Jahre. In der Gruppe sind Flüchtlingskinder integriert. Vereinshöhepunkte sind das Ferienlager im Sommer, die Halloween-Nacht und der Adventsmarkt. Dieses Jahr ging es für fünf Tage nach Mengelsdorf. Jedes Kind betreut für die Woche ein Pflegepferd und alle zusammen erkunden gemeinsam die Umgebung. Sagen der Oberlausitz und heimische Kräuter war das Thema des Abenteuers. Das Vereinsziel bei allen Aktivitäten ist, ein besseres Miteinander zu fördern, das heißt Inklusion leben für eine Lebensbereicherung von Menschen mit und ohne Behinderung.

Auf die Frage nach einem besonderen Erlebnis wird Eva Hoffmann etwas stiller und erzählt vom schweren Jahr 2012. Hier hatte sie das Gefühl, es geht mit dem Projekt zu Ende: „Ergotherapie-Praxen sind wie Pilze aus dem Boden geschossen und die Patientenzahlen sind eingebrochen“ schildert sie. Zusätzlich sind gut ausgebildete Mitarbeiter ihre eigenen Wege gegangen. Zu allem Übel gab es auch im Dorf immer wieder Beschwerden über den Hof. Eva setzte alles auf eine Karte und rief eine Dorfversammlung ein. Mit so viel Zuspruch und positiven Echo zum Projekt – vom Bürgermeister über Firmen und Dorfbewohner – hatte sie nicht gerechnet. Es gingen viele Sach- und Geldspenden ein und sie fasste neuen Mut zum Weitermachen. Ein weiterer Glücksfall brachte 2015 die Stute Marisa auf den Hof. Das stolze Mädchen ist ausgebüxt und wurde vom Asmat Alo eingefangen und zurückgebracht. Der Syrier lebte zu dieser Zeit unweit in einem Flüchtlingslager. Die Chemie zwischen dem jungen Mann und der Pferdeliebhaberin stimmte von Beginn an. Sie bot ihm einen Job an. Fünf Jahre später ist „die gute Seele“ des Hofes nicht mehr wegzudenken, schwärmt Eva Hoffmann. Asmat lebt mit seiner Familie in Jänkendorf und ist froh über diese Chance. Mit Pferden hat der gelernte Schneider vorher nicht viel Berührung gehabt. Das kann ich kaum glauben, als ich die geübten Handgriffe auf der Koppel beobachte. Heute ist Asmat als therapeutischer Tierpfleger fester Bestandteil in der Praxis und übernimmt sämtliche Aufgaben auf dem Hof.

Für die Zukunft wünscht sich Eva Hoffmann, dass der Hof erhalten bleibt und sich ein Nachfolger findet. Aktuell setzt sie sich stark für die Erhaltung alter Haustierrassen ein und züchtet existenzbedrohte ostfriesische Milchschafe und Anglo-Nubier-Ziegen. Die Herde ist auf 14 Schafe und 5 Ziegen angewachsen. Auch die Züchtung des rheinisch-deutschen Kaltblutpferd wird versucht. Eva begrüßt die aktuelle Entwicklung auf dem Lande. Mit der Entstehung vieler Ökohöfe werden die Dörfer belebt und das bedeutet Gesundung für Boden und Gewässer. Sehr beeindruckt bin ich von dem Engagement und der Leidenschaft für Tiere. So finden sich unter den tierischen Bewohnern auch alte und gerettete Seelen. Die zwei Ponys Floh und Lucky sind Scheidungskinder, kamen aus Hamburg auf den Hof in der Lausitz und sind die Lieblinge aller Kinderherzen.

Während des Gespräches schleicht sich ein kleiner Shih-Tzu ins Zimmer und beschnüffelt die Gäste. Der Hund hat eine Operation hinter sich und kann vorübergehend nicht durch sein Herrchen betreut werden. So bleibt er in Kurzzeitpflege auf dem Hof. Die Begleitung von Hundebesitzern mit gesundheitlichen Einschränkungen gehört ebenso zu den Kernaufgaben wie die tiergestützte Therapie in Alten- und Pflegeeinrichtungen.

Text: Annett Miethe | Fotos: Paul Glaser