Andreas Graf sieht die Zukunft positiv. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich, wenn man für 29 Mitarbeiter zu sorgen hat und das Getreide nicht ordentlich wachsen will. 43 Jahre ist er, der in Ostsachsen aufgewachsene Chef der Agrargenossenschaft See oder richtig gesagt, ihr Vorstandsvorsitzender. Und froh darüber, dass sein zweiter Vorstand Tobias Kärber sogar noch ein Jahr jünger ist. Graf weiß, dass viele der älteren Kollegen mit all dem, was Klimawandel im Großen und Strukturwandel in der Lausitz mit sich bringen, ihre Probleme haben.

„Digitalisierung, Öffentlichkeitsarbeit, wir Agrarleute haben einiges aufzuholen. Zum Glück sind wir ein junges Team.“ Nach dem Landwirtschaftsstudium im sachsen-anhaltinischen Bernburg ist Graf dortgeblieben, hatte nach der Diplom-Arbeit zehn Jahre lang eine gute Arbeit. Und doch war da die Sehnsucht nach der heimischen Scholle. 2007 bewirbt er sich auf die Stelle als Feldbauchef in See und bekommt die Zusage. Auch seine Frau findet Arbeit. „So geht es gar nicht wenigen aus meiner Schulzeit, die für eine Zeit lang weg waren. Viele bekannte Gesichter kommen zurück.“

Vielleicht ist es der Blick von außen, der Mut zu Veränderungen macht. „Wir haben hier auf unseren Feldern 29 Bodenpunkte, das ist nicht gut.“ Zu wenig Wasser, zu schwache Böden, das macht schlechte Getreide-Ernten, vor allem in den Jahren mit besonders guten Sommern. „Was für die Freibäder gut ist, ist nicht gut für das Getreide.“ Also hat Andreas Graf seine Truppe um sich versammelt, um gemeinsam nachzudenken. Im Ergebnis baut die Agrargenossenschaft in See mittlerweile 12 Kulturen in ihrer Fruchtfolge an. „Irgendwas muss ja kommen.“ Und eben Lavendel.

Wer zuerst die Idee mit dem Lavendel hatte, ist nicht mehr klar zu recherchieren. Aber am Ende ist Nadine Schulz schuld. „Die Nadine war ein super Lehrling, die wollten wir unbedingt halten.“ Als die junge Frau in Dresden ihren Techniker machte, brauchte sie ein Abschlussthema. „Und da ist Lavendel in der Lausitz doch mal was ganz Spannendes.“ Auf zwei Hektar wollten es die Seer versuchen. „Der Anbau ohne groß Maschinen einzusetzen, hat uns zusammengeschweißt. Und der Stolz, was ganz Neues zu machen.“

Im November 2019 wurde der Antrag gestellt und im Juni 2020 kam der Förderbescheid für das „EIP-Agri Projekt „Lavendelanbau in der Oberlausitz.“ Ohne den wäre es zu riskant gewesen, sagt Andreas Graf. Da blitzt der Ökonom in ihm durch. Zukunftsfähige Arbeitsplätze für die Kollegen stehen bei allen Überlegungen an erster Stelle. „Dafür trage ich die Verantwortung.“ Dass es darüber hinaus im Lavendelfeld ohne Chemie geht, kommt positiv obendrauf. „Wir können in der Massen-Produktion nicht mir Bulgarien oder China mithalten. Wir müssen was anderes liefern, Qualität. Dann kommen wir mit der pharmazeutischen Industrie oder den Kosmetikherstellern ins Geschäft.“

Um ins Geschäft zu kommen, das weiß der 43jährige, muss man ins Gespräch kommen. „Öffentlichkeitsarbeit wird immer wichtiger. Wir sind in den sozialen Medien aktiv oder sagen wir so: wir strecken da vorsichtig die Fühler aus.“ Auch im Dorf wollen die Lavendelbauern gesehen werden. Deswegen gibt es eine enge Zusammenarbeit mit der örtlichen Gärtnerei, Projekte mit Schulen und Kitas. „Die Medien haben uns inzwischen auch wahrgenommen. Sächsische Zeitung, Super Illu, MDR. Das hilft uns, weitere Partner zu finden.“

Im Mai 2020 haben sie die ersten Pflanzen gesetzt. Dann kam ein „guter“ Sommer. Für die Freibäder und den Lavendel. „Der kommt mit Hitze und Trockenheit perfekt zurecht. Weiß jeder, der schon mal in Südfrankreich, in der Provence, die wunderschön wogenden Felder gesehen hat.“ Inzwischen halten Andreas Graf und seine Kollegen Vorträge auf Fachforen, tauschen sich mit Wissenschaftlern zu Themen wie Biodiversität und Insektenreichtum aus. Und finden erste Nachfolger. „Selbst die LEAG macht jetzt in Lavendel.“

Sollten die Pflanzen gut durch den Winter kommen, geht die Phantasie des Vorstandsvorsitzenden schon mal auf Reisen. „Ein Café am Lavendelrand wäre toll, mit einem Sofa mitten im Feld.“ Was Graf und seine Mitstreiter unbedingt brauchen, sind andere, die mitziehen. Alleine, das weiß er, kriegen sie eine Neuausrichtung des Denkens nicht gestemmt. Ängstlich aber ist er deswegen nicht. Dazu denkt ein Landwirt zu sehr in langen Zyklen. Wenn seine Kinder groß sind, soll alles passen. „Wir sind gezwungen, kreativ zu sein. Wir können nicht auf den Regen warten.“

Text: Axel Krüger / Fotos: André Schulze