Denkt man an Brandenburg und seine besten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, dann fällt dem verwöhnten Gaumen schnell Spargel ein, das edle Gemüse. Die köstlichen Äpfel im Havelland. Oder auch eine knackige Spreewaldgurke. Aber Wein? Tatsächlich wird in dem flächenmäßig großen Bundesland heute auf etwa 30 Hektar Wein angebaut. Zum Vergleich: Deutschland kommt insgesamt auf knapp über 102.000 Hektar, die mit Reben bepflanzt sind.

Schaut man in die Geschichte, stößt man auf eine lange Tradition des Weinbaus, die im ausgehenden Mittelalter zu zahlreichen lobenden Nennungen führte und sich bis heute in Ortswappen mit Trauben und Rebstöcken niederschlägt. So auch in Bad Liebenwerda, wo wir Winzer Rico Leonhardt treffen. Also erst einmal treffen wir zwei komplett entspannte Labradore, die vom Liegen in der Sonne so ermattet sind, dass sie nicht einmal den Kopf drehen, als die beiden fremden Gestalten auf den Hof kommen.

Ein bisschen verlegen zuppelt Rico Leonhardt an seinen Arbeitsklamotten. „Kann ich so bleiben?“ Paul, unser Fotograf, nickt heftig. Als Profi mag er es authentisch. Leonhardts Familie, so erzählt er uns, betreibt seit vielen Generationen Landwirtschaft. Die Großeltern haben dazu Anfang der 90er Jahre den neuen Aufschwung genutzt und eine Pension eingerichtet, das heute von ihm als Familienbetrieb geführte „Landhotel Biberburg“. Idyllisch direkt an der schwarzen Elster gelegen und noch dazu an drei der schönsten Radwanderwege der Region, stellen Radler, Paddler und Naturfreunde die Mehrzahl der Sommer- und Feriengäste. In der übrigen Zeit sind die Monteure der zahlreichen Windkrafträder wertvolle Kunden.

Wie kommt man aber jetzt dazu, hier Wein anzubauen? Rico Leonhardt lacht wie noch häufig im Gespräch und zuckt mit den Schultern. „Ich hab nach dem Abitur nicht studieren wollen. Ackerbau und Viehzucht, wovon meine Cousins leben, war auch nix für mich.“ Und weil er schon im zarten Alter  – „Da muss ich so in der neunten Klasse gewesen sein“ – zusammen mit dem Vater im Keller Hagebuttenwein hergestellt hat und dann sogar erste eigenen Reben pflanzte, steht der Entschluss fest. Er bewirbt sich beim sächsischen Weingut Vincenz Richter um eine Lehrstelle, kriegt eine Zusage und geht nach Meißen. „Eigentlich hab‘ ich nur mein Hobby zum Beruf gemacht.“

Bis 2015 bleibt er dort, arbeitet als Kellermeister und eignet sich alle Kenntnisse an, die es braucht, um guten Wein zu erzeugen. Schon im Jahr 2011, als das in Brandenburg möglich wurde, hatte er sich Rebrechte für einen dreiviertel Hektar gesichert. Mittlerweile ist sein Weingarten auf anderthalb Hektar angewachsen. „Anfangs hab‘ ich rumexperimntiert mit neuen pilzwiderständigen Sorten.“ Inzwischen ist er bei den in Deutschland bekannteren Trauben wie Kerner und Silvaner angelangt und liebäugelt damit, sich zukünftig auf historische Reben zu konzentrieren, die heute selbst die Fachwelt kaum mehr kennt.

„Alleine die Namen“, schwärmt der 33jährige, „vor Kurzem wurde erst die Rebe „Brandenburger Möhrchen“ wiederentdeckt“. Er selbst hat mittlerweile die alten Sorten Gelber Kleinberger, Weißer Räuschling und Roter Veltliner im Anbau. Und wie schmeckt er nun, der Wein, der mit kargen Böden, der Lausitzer Trockenheit und klirrenden Spätfrösten bis Ende Mai klar kommen muss? „Das kann man mit Worten nicht so gut beschrieben, das müsst ihr schon probieren.“ Und so fließt ein Wein ins Glas, von dem der Autor dieser Zeilen tatsächlich noch nie gehört hat. Bronner, eine noch recht junge Neuzüchtung, die als besonders frostfest gilt. Ein feiner Apfelduft steigt in die Nase, der Wein schmeckt mild und harmonisch und erinnert ein wenig an guten Weißburgunder.

Haben die Nachbarn denn nicht mit dem Kopf geschüttelt, damals, als er angefangen hat? Ganz im Gegenteil, sagt Leonhardt, die seien neugierig gewesen und „ganz heiß“ auf seinen Wein. „Nur die umliegenden Gastronomen, die sind bissl skeptisch. Ist aber nicht so schlimm, soviel hab‘ ich ja auch gar nicht.“ Über den Verkauf seiner Flaschen in der Tankstelle seiner Eltern hat er es sogar bis in den RBB gebracht, unter dem etwas reißerischen Titel „Wein aus der Zapfsäule“. Dabei stehe der dort ganz ordentlich im Regal.

Mit unserem funkelnden Bronner im Glas wandern wir über den artenreichen Hof, bewundern Damwild und Emus im Gehege,  hören die meckernden Ziegen und fürchten uns ein bisschen vor dem bösen Lama. Warum das böse ist, wollen wir wissen. „Weil es spuckt.“ Wir spucken nicht, wir schlucken genießerisch unseren ersten Brandenburger Wein und haben eine Idee davon, wie gut Strukturwandel schmecken kann.

Text: Axel Krüger | Fotos: Paul Glaser