Eigentlich ist Jörg Daubner gebürtiger Erzgebirgler. Denen man ja gerne nachsagt, sie seien eigen. So ein bisschen grantig. Vermutlich liegt es daran, dass er mit sechs Jahren die Welt der engen Schluchten und dunklen Wälder verließ, um mit der Familie nach Görlitz zu ziehen, jedenfalls ist Jörg bei unserem Besuch gar nicht grantig. Sondern eher ein freundlicher und zugewandter Mensch.

Wieder einmal haben wir uns mit dem Lieblingsfotografen Paul auf die Suche nach lausitzstarken Geschichten gemacht und sind dabei auf ein bemerkenswertes Projekt gestoßen. Die Rainkost, die nicht weniger vor hat, als die Weltrevolution. Doch der Reihe nach.

Nach „weitgehend unauffälligem“ Schulverlauf und Zivildienst in der Psychiatrie geht Jörg Daubner in die Kochlehre im renommierten Restaurant „Hugos“, der feinen Stube des Hotel Intercontinental Berlin. Er weiß schon, dass und was er studieren will, aber ein handfester Brotberuf zur Absicherung möglicher Fallhöhen scheint ihm ganz klug. Eigentlich wollte er ja Tischler lernen und sah sich schon in den Hellerauer Werkstätten feinste Möbel fertigen. Als Gastrokind mit einem Koch als Bruder fällt die Entscheidung dann aber doch zugunsten der Teller und Töpfe.

Er schließt die hochwertige Ausbildung in klassischer französischer Küche mit Bravour ab, meldet sich danach in den Studienfächern BWL und Philosophie an und arbeitet neben dem Büffeln als Alleinkoch in Berliner Restaurants. Nach dem Studium zieht es Jörg Daubner in die Welt. Mit seiner schwangeren Freundin geht es nach Schottland, wo es zwar mit Restaurantjobs nicht so gut läuft „aber dafür habe ich mir in der Elternzeit mit vor die Brust geschnalltem Baby das Brotbacken beigebracht und auf Märkten verkauft“.

Der Plan war, dass er das von der Mutter geführte Görlitzer Restaurant Obermühle eines Tages übernehmen würde. „Wir haben das gut hingekriegt“, kürzt er den sicher nicht ganz leichten Prozess ab. „Ein Jahr Vorbereitungszeit, ein Jahr Übergangszeit.“ Einen Rohdiamanten habe er da bekommen, „nur an meiner Wirtschaftlichkeit hat es anfangs gemangelt“. Der junge Chef erweitert das Angebot um Kindergartenessen, baut die Belieferungen aus und entwickelt das Projekt Rainkost. Das alles will in Balance gebracht werden.

Zwei Freunde waren kurz zuvor nach Görlitz gezogen, interessierten sich für Permakultur „und standen eines Tages mit zwei Kisten selbstgezogenem Mangold in meiner Küche. Vor allem ohne die grünen Hände von Philipp Geltenbort würde das Projekt heute nicht existieren“. Bald darauf kommt Martijn Moermann dazu, ein durch glückliche Umstände in Görlitz gelandeter junger Gärtner aus Holland. „Den hab‘ ich einfach in der Kneipe angesprochen.“ Daniel Kupper, ein Bekannter, überlässt Daubner sein am Stadtrand gelegenes Feld für den Gemüseanbau. Solidarische Landwirtschaft auf Gastro-Ebene, so lautet das Ziel.

Lokale, die im Wettbewerb um die gleichen Kunden kämpfen, als Solidargemeinschaft, geht das gut? „Es brauchte nicht viel Überzeugungsarbeit.“ Jetzt werden im Frühjahr mit den neuen beteiligten Gastronomen gemeinsam Ernteteiler festgelegt und nach diesem Schlüssel die Erträge verteilt. Ob viel oder wenig wächst, betrifft alle gleichermaßen. Jörg Daubner ist stolz auf dieses Lausitzer Modell der „Coopetition“, das Konkurrenten zu Kooperationspartnern macht. „Am Herd steht dann jeder wieder für sich alleine. Was er am Ende aus unseren gesunden Pflanzen auf dem Teller anrichtet, entscheidet über seinen Erfolg am Gast.“

Auch die Gehälter bei Rainkost haben einen innovativen Kern. „Die Gärtner legen ihren Lohn quasi selbst fest. Wir schauen uns gemeinsam die Zahlen an, sie kennen die Erträge, wir besprechen die notwendigen Investments und sie können am besten einschätzen, wie groß ihr Anteil am Erfolg ist.“

Die dritte revolutionäre Säule gefällt Daubner am besten. „Anfang des Jahres halten wir mit allen Kollegen eine Sitzung ab, bei der jeder sagen darf, was er gerne tun möchte. Wir implementieren einen planwirtschaftlichen Aspekt in eine marktwirtschaftliche Umgebung.“ Seine Mitarbeiter sollen ihre Arbeit aus Leidenschaft machen, nicht, weil der Markt dieses oder jenes von ihnen verlangt. „Gucken wir uns die Monokulturen in der Lausitz an. Die riesigen Maisschläge. Sind das noch Landwirte, die so etwas produzieren oder ist das eine Industrie?“

Daubner weiß, dass er mit solchen Fragen provoziert. Aber er sieht auch, wie sich die Böden auf seinem Rainkost-Feld innerhalb kürzester Zeit erholt haben, weil er auf Vielfalt setzt. Und er hofft darauf, Nachahmer zu finden. „Raus aus dem Streben nach immer höheren Gewinnen. Wenn ein Betrieb alle Angestellten ernährt, ist es doch genug.“ Für die Lausitz wünscht er sich, dass kleinteilige Wirtschaftskreisläufe geschlossen werden statt weiterer Abhängigkeiten.

„Was wäre, wenn wir all das Geld, das wir woanders hinbringen, hier ließen? Je mehr wir selbst vor Ort produzieren, desto gesünder werden wir.“ Verzweifelt er nicht, wenn er sieht, wie groß die Aufgabe ist? „Nein, ich will und werde nicht die Welt verändern. Nur mein kleines Umfeld. Dafür reicht die Kraft.“

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Text: Axel Krüger | Fotos: Paul Glaser