Auf der nimmermüden Jagd nach lausitzstarken Geschichten hatte der milde Herbstwind uns den Namen Maeriaen Neuenfeldt zugeraunt. Diplom-Sommelière. Und dazu eine Adresse in Cottbus, die neugierig macht. Die alte Keksfabrik. Uns, das sind der Autor und sein Lieblingsfotograf Paul Glaser. Paul macht nicht nur wunderbare Porträts. Paul hat auch großartige Musik in seiner Playlist, die unsere Fahrten durch die schöne Lausitzer Landschaft perfekt untermalen.
Mit entsprechend guter Laune kommen wir an dem imposanten Werkskomplex an, in dem seit 1950 Cottbuser Kekse, Baumkuchen, Lebkuchen und Dominosteine produziert wurden. Und stoßen auf: noch mehr gute Laune. Maeriaen, die Weinfachfrau mit dem beeindruckenden Lebenslauf, empfängt uns in ihren Räumen wie gute alte Freunde. Da ist nichts Aufgesetztes, nichts Gespieltes, hier scheint jemand in seinem Heimathafen angekommen nach einer ziemlich langen Reise.
Sie geht in Cottbus los, die Reise und sie ist aufregend. Realschule, Lehre zur Hotelfachfrau, Praktikum im Steigenberger/Frankfurt mit dem Angebot, die Verantwortung an der Bar zu übernehmen. Und Pardauz, der erste Nasenstüber. „Ich war heillos überfordert.“ Durch Vermittlung einer Sprachschule kann sie das Angebot wahrnehmen, mit finanzieller Förderung nach England zu gehen. Sie heuert in Harrogate in einem Golf-Hotel an, wieder an der Bar und darf dort prominente Gäste bedienen. „Deep Purple waren mal da und Michail Gorbatschow“, erinnert sie sich.
Nach anderthalb Jahren steckt Maeriaen die Füße prüfend nach Deutschland aus, aber es fühlt sich nicht gut an und wieder nimmt die Reise eine ganz andere Richtung. „Sie passen gut nach Vermont“, hatte ihr eine Maastricher Agentur gesagt, die weltweit nach gutem Personal sucht. Die idyllischen Berglandschaften mit dem berühmten Indian Summer locken und die Cottbuserin schickt sich an, erneut die Taschen zu packen. Dann kommt der überraschende Anruf vom General Manager der Twin Farmes, heute eines der besten Hotels der Welt. „Magst Du Schnee? Dann kannst Du bei uns anfangen.“
Die ersten 6 Monate waren sehr anstrengend. Die nächste Stadt 40 Autominuten entfernt, die Einsamkeit entsprechend groß. Weil es keine Speisekarten gibt, müssen die Servicekräfte alle Angebote auswendig kennen. Morgens, mittags und abends, mit Zusatzgerichten und sämtlichen Getränken. Einmal schmeißt die Deutsche ein ganzes Tablett guter Gläser runter. „Danach hat eine Woche lang keiner mehr mit mir gesprochen.“
Irgendwann geht der Schalter rum. „Ab da habe ich den Job geliebt, durfte fantastisches Essen probieren und Hotelgästen, die einen einfachen Ausflug gebucht hatten, auf dem Berggipfel im glitzernden Schnee Hummer servieren. Maeriaen nimmt alles, was sie lernen kann, mit.
Doch dann geht’s zurück nach Europa. Diesmal Österreich. Im Wiener Design-Hotel Le Meridien nimmt sie der Chef-Sommelier persönlich an die Hand, führt sie immer tiefer in die Welt der Weine ein. Die nächste Station ist das Palais Coburg. Eine der wohl weltweit besten Adressen für Weinliebhaber. „65.000 Flaschen liegen da im Keller.“ Maeriaen fängt im Frühstücksservice an, rutsch durch glückliche Umstände ins Gourmetrestaurant. „Auf einmal bin ich mit meinem Fingerprint in einen der besten Weinkeller Österreichs gekommen. Ich hab´ Sachen getrunken, das geht uff keene Kuhhaut. Tolle Weine, aber auch teure Weine. Die teuerste Flasche, von der ich kosten durfte, lag knapp unter 15.000 €.“
Und noch einmal lässt sie sich beeindrucken. Menschlich. Von der Hotelchefin des Sacher, ihrer nächsten Arbeitsstelle. „Diese große Dame ist an Silvester in einem wunderschönen Ballkleid in den Saal gekommen und alle Herren haben sich erhoben. Das hat sich tief bei mir eingebrannt.“
Zunächst entbrennt sie aber in Liebe. Ein Schulfreund aus Cottbuser Zeiten ist es und „dann hab ich halt erst einmal in Lübbenau in einem Imbiss Bier gezapft und Schnitzel rausgetragen“. Bis ein Cottbuser kam, der die Idee für einen Weingarten hatte und auch gleich noch das passende Grundstück dazu. Die „Auguste“ lief ganz erfolgreich, aber die Gehaltszahlungen waren sehr schmal. Wieder ist eine Neu-Orientierung nötig. Mit ihrem österreichischen Sommelier-Diplom in der Tasche bekommt sie ein Angebot im renommierten Spreewald-Hotel „Zur Bleiche“, bleibt zwei Jahre und spürt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, sich selbständig zu machen.
Sie schreibt ein Konzept für einen Weinhandel, mit ausgesuchten kleinen Speisen und Weinen, die garantiert nicht im Supermarkt zu finden sind. Weil sich die Finanzierung lange hinzieht, zieht sie erst einmal tapfer über regionale Märkte und schenkt dort aus. Bis sie endlich die „Weinfreundin“ eröffnen kann. „Die Nachfrage ist genauso, wie ich es mir gewünscht habe. Neugierige Kunden, die sich auf etwas einlassen, zu einer besonderen Flasche einen exquisiten Käse essen, guten Schinken oder meinen handgemachten Flammkuchen.“
Maeriaen Neuenfeldt, so scheint es, hat ihren Platz gefunden. Zwischen funkelnden Flaschen in der alten Keksfabrik. In der Lausitz, wo neue Genusswelten auf ihre Entdecker warten. In ihrer Heimat, von der sie sich weit entfernen musste, um sie wieder für sich zu entdecken.
zur Homepage: Weinfreundin Cottbus
Text: Axel Krüger / Fotos: Paul Glaser