„Erst einmal geht es auf die Reeperbahn.“ Diane Maren Jende, Inhaberin der Jende Posamenten Manufaktur im brandenburgischen Forst, lacht und lädt uns mit einer freundlichen Geste zum Rundgang ein. Und tatsächlich geht es zunächst über die Reeperbahn, die sich im 15m langen Raum des Betriebes befindet.

Hier können besonders lange Taue und Seile gefertigt werden. Der Name wurde ursprünglich von Taumachern und Seilern, den so genannten Reepschlägern, die für die Herstellung von Schiffstauen eine lange, gerade Bahn benötigen, geprägt. So findet man in einigen deutschen Städten ähnliche Straßennamen, die wohl berühmteste in Hamburg. Weiter hinten surren fleißige Webstühle vor sich hin und wir fühlen uns in eine andere Zeit versetzt. Viele Maschinen haben schon über ein Jahrhundert auf dem Buckel und laufen bis heute fehlerfrei. Sehr beeindruckt sind wir von einer alten Dame, die mit Lochkarten gefüttert wird: „Das ist der Computer mit dem gespeicherten Muster für den aktuellen Auftrag“ erklärt uns die Inhaberin.

Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie 2013 das Erbe der Familie Wagler, dem ehemaligen königlichen Hoflieferanten, angetreten. Der Familienbetrieb hatte in drei Generationen Posamenten, sogenannte textile Schmuckelemente, wie Borten, kunstvolle Schnüre und Quasten hergestellt. Ursprünglich in Westberlin gegründet, ging das Unternehmen 2006 an eine engagierte Unternehmergemeinschaft in Forst. Christian Jende kannte das Unternehmen und seinen guten Ruf bereits viele Jahre als treuer Kunde. Bei einem Termin in der Manufaktur erfuhr er im Frühjahr 2013 von der Insolvenz. Für Christian Jende war es ein Wink des Schicksals.

Der gelernte Raumausstatter ist in Forst aufgewachsen und wusste schon sehr früh was er mal werden will. Bei einem Schulausflug in das Schloss Sanssouci konnten die Schüler auf einem kleinen Handrad über den ein Faden lief an der Kurbel drehen: „Sowas will ich beruflich machen“ rief Christian damals seiner Lehrerin zu. Kurz nach der Ausbildung in Forst lernte er seine Diane kennen, die gerade ihre Ausbildung zur Polizistin bei Wandlitz abgeschlossen hat. So ging es gemeinsam für viele Jahre nach Potsdam. Die gebürtige Finsterwalderin war über 20 Jahre bei der Polizei unter anderem im Bereich Öffentlichkeitsarbeit tätig. In das Handwerk ist Diane Jende dann so nach und nach hineingewachsen. Was ihr besonders an dem Job gefällt: am Ende des Tages sieht man was man geschafft hat, hält ein Ergebnis in den Händen. Dieses Gefühl hat im öffentlichen Dienst meist gefehlt.

Wer zählt zu den Kunden?

„Unser Schwerpunkt liegt in der kleinteiligen Produktion und der Fertigung von Posamenten nach Kundenwünschen“ erzählt uns Diane Jende. Besonders interessant sei die Arbeit in der Restauration. Hier warten spannende Projekte in Schlössern und Museumssälen. Oftmals dienen als Vorlage Fotos und originale Einzelstücke. Hier geht es dann auf die Spurensuche nach der alten Fertigungstechnik. So wurden bereits namhafte Häuser mit Posamenten der Forster Manufaktur ausgestattet, darunter das Residenzschloss und das Staatsschauspiel in Dresden, das Schloss Sanssouci, Schloss Branitz und das Jagdschloss Granitz auf Rügen. Eine schöne Herausforderung war der kleine Ballsaal in Dresden. Dort hängt der handgenähte Vorhang mit Verzierungen aus der Posamenten Manufaktur. „Der Saal strotz vor Handwerkskunst vieler Gewerke“ schwärmt die junge Unternehmerin und wünscht sich mehr Beachtung für die handwerkliche Landschaft in Deutschland und im Besonderen in der Lausitz.

Zu den weiteren Kunden zählen Raumausstatter, Polsterer und Inneneinrichter sowie Trachtenschneider, Lampenbauer, Theater und private Käufer. Selbst Oldtimer-Liebhaber werden in der Produktpalette fündig. Elegante Haltegriffe aus geflochtenem Leder oder Kordeln bietet sie für das Fahrzeuginterieur an.

Abwechslung bringen aber auch außergewöhnliche Aufträge. So wurden in vielen Stunden und reiner Handarbeit zwei 1,25m große Quasten mit 80cm langen Fransen gefertigt. Solcher Pomp sei häufig im Event- und Konzertbereich gefragt. Ob grasgrüne Fransen, Borten, Kordeln, bunt schillernde Textilkabel für die Lampenaufhängung – die Manufaktur gestaltet, webt und dreht verschiedenste hochwertige Materialien nach den Vorstellungen ihrer Kunden.

Die Suche nach den passenden Lieferanten gestaltet sich bisweilen schwierig, da die Manufaktur zum einen in kleineren Mengen produziert und zum anderen die Regionalität der Produkte dem Familienbetrieb am Herzen liegt. Vom Viskosehersteller bis zur Färberei wird in Deutschland und Österreich eingekauft. Ziel ist, das familiengeführte Unternehmen weiter zu stabilisieren und in ruhige Gewässer zu bringen. Die Entwicklung neuer Produkte und die Optimierung der Produktionsabläufe stehen zwar ganz oben auf der to-do Liste, aber eines ist den Jendes wichtig: der Manufakturcharakter soll unbedingt erhalten bleiben.

Text: Annett Miethe | Fotos: Paul Glaser