1. Internetforum: „Hallo, schaut mal hier – Pattarina, nie wieder Schnittmuster kleben.“ „Klingt hochinteressant, es stellt sich mir nur die Frage, wie das Schnittmuster in die App kommt: Foto? Muss es in digitaler Form vorliegen? Wird die App PDFs verstehen und zusammensetzen können?“

Pattarina ist die erste App, mit der Schnittmuster nicht mehr abgepaust, ausgedruckt und geklebt werden müssen. Die Übertragung gelingt direkt vom Handybildschirm auf den Stoff. Und das funktioniert mit etwas Übung ausgezeichnet.

Hinter diesem Start-up stehen zwei junge kreative Köpfe, deren Wege sich vor drei Jahren an der BTU Cottbus kreuzten. Über Prof. Lewerentz vom Lehrstuhl für Softwaresystemtechnik lernte Dr. Nora Baum den Doktoranden Markus Uhlig kennen. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie in einer internationalen Unternehmensberatung. Davor studierte sie in Mannheim Soziologie, Politikwissenschaften und BWL und promovierte in Cottbus zum Thema E-Commerce und Digitalisierung von Handwerksleistungen. Das Studium von Markus beschäftigte sich mit Informations- und Medientechnik an der Uni Cottbus, wo er auch sechs Jahre lang an Softwarevisualisierung und Computer Vision geforscht hat. Im Sommer 2018 gelang mit Hilfe des EXIST-Gründungsstipendiums der BTU Cottbus der Start der Pattarina GmbH.

Wie kommt man auf die Idee für so eine App?

Nora Baum ist seit Kindertagen eine leidenschaftliche Hobbynäherin. Auf dem Heimweg von der Silvesterparty 2017 kommt ihr plötzlich ein „Schnittmusterbeamer“ in den Sinn. Eine Idee, die das lästige Pausen oder Zusammenkleben von Schnittmustern unnötig macht. Solch ein ausgewachsenes Schnittmuster aus einer Nähzeitschrift erinnert an den Stadtplan von Mumbai und nimmt in seiner vollen Pracht den gesamten Beratungstisch ein. Gibt es einen Markt für die Idee? Nora interviewt über 40 Näherinnen, will wissen, was bei der Arbeit als besonders zeitaufwendig und störend empfunden wird. Acht von zehn Befragten sind von komplizierten und unübersichtlichen Schnittmustern genervt.

Dennoch setzt sich die Beameridee nicht durch. Zu kompliziert. Nicht nachhaltig. Das Thema bleibt aber in den Köpfen. Markus, der Forscher, tüftelt weiter. Gesucht wird eine Software, die Schnittmuster so darstellt, dass man ohne Vorkenntnisse die Struktur versteht. Wie bei einer Stadt, in der es Straßen, Plätze und Häuser gibt. Die Anordnung von Schnittteilen auf dem Stoff ist vergleichbar. Inspiriert von Pokemon Go wird am Vorhaben geforscht, es entwickelt und mit Unterstützung von Augmented Reality schließlich realisiert. Durch die Pattarina-App kann die nähende Zunft die Schnittteile mit dem Handy direkt auf den Stoff übertragen und muss nie wieder Schnittmuster drucken, kleben, abpausen, wegräumen.

Mit dieser Innovation legt die Pattarina GmbH einen rasanten Start hin. Anfang 2019 kommt die Einladung in die „Höhle der Löwen“. Im VOX-Format bekommen Menschen mit Erfindungen oder Geschäftskonzepten die Chance ihres Lebens. Sie präsentieren ihre Idee fünf erfolgreichen Unternehmern, den sogenannten „Löwen“. Im Erfolgsfall steigt einer davon als Investor ein. Nora und Markus berichten von dieser Erfahrung auf ihrem Blog. Technologien wie ihre sind eher selten vertreten. Trotzdem wollen zwei „Löwen“, bei Pattarina einsteigen. Die Entscheidung fällt auf den Start up-Spezialisten Frank Thelen. Der Deal kommt allerdings nicht zustande. Es ist zu früh. Die App ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf dem Markt, die Entwicklung für die Anwender noch nicht abgeschlossen. Dennoch bleibt die Teilnahme an der „Höhle der Löwen“ ein Erfolg. Durch die Sendung laden sich 40.000 Nutzer innerhalb kürzester Zeit die Pattarina-App herunter.

Über Patterina bekommt man mittlerweile 235 Schnittmuster. Tendenz steigend. Die Designer kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch die Fangemeinde wächst. Selbst Markus hat sich an der Nähmaschine ausprobiert und seiner Freundin ein neues Hobby verschafft. Für die Zukunft sieht der Informatiker eine Erweiterung der Anwendung auf andere Branchen. Für den Bau, im Garten- und Landschaftsbau und in der Einrichtungsplanung von Wohnungen kann diese Technologie eingesetzt werden. Damit diese Technologie made in Cottbus die Welt erobert, suchen Nora und Markus weiterhin Investoren. Das ist durch Corona nicht einfacher geworden – aber die beiden Jungunternehmer bleiben optimistisch. Vielleicht sind sie der Zeit einfach ein Stück voraus. Denn erst wenn leistungsfähige und massentaugliche Geräte das räumliche Denken unterstützen, kann ihre Software die volle Leistung entfalten.

Du konntest dich nicht auf den Text konzentrieren, weil du dich die ganze Zeit gefragt hast, was Pattarina eigentlich bedeutet? Nora hilft: „Pattarina ist eine Abkürzung für Patterns in air – also Schnittmuster in der Luft. Früher hatten wir das mal zu Pina abgekürzt, dann zu Patterina. In Patterina wurde das ER in der Mitte durch AR ersetzt, das ist die Abkürzung für Augmented Reality.“

Egal wie, es geht immer um die App, mit der man Schnittmuster direkt auf den Stoff übertragen kann.

Text: Annett Miethe | Fotos: Paul Glaser