Wir besuchen den Vierseit-Bauernhof der Familie Hanspach in Bernstadt auf dem Eigen. Es erwartet uns ein freundliches und entspanntes Geschwisterpaar. Die warme Herbstsonne lädt zum Plausch im Freien ein. Nach ein paar Minuten lunzen große sanfte Kulleraugen um die Ecke. Nach und nach versammeln sich zehn neugierige flauschige Alpakas als stille Zuhörer um uns.
Leon und Linda Hanspach erzählen von den Anfängen der Alpakafarm in der Oberlausitz. Die Geschwister hatten lange zusammen mit den Eltern überlegt, wie die leeren Stallungen des Siedler-Hofes aus dem 13. Jahrhundert und die ungenutzten Weiden wiederbelebt werden könnten. Ideen gab es viele, doch richtig überzeugt war die gesamte Familie schließlich von den Alpakas. Die kleinen Verwandten der Lamas werden vorwiegend wegen ihrer sehr feinen und warmen Wolle gezüchtet und sind ursprünglich in den südamerikanischen Anden zu Hause. Alpakawolle ist kostbarer als Seide und Kaschmir und wird als Vlies der Götter bezeichnet. In Deutschland werden Alpakas seit rund zwanzig Jahren gezüchtet. Eine kleine Hofführung durch die Stallungen bringt so manche Überraschung hervor. Weiße Hängeschaukeln laden die Besucher zum Relaxen ein. Dazwischen wandeln gemächlich die Alpakas. Deren beruhigende Ausstrahlung ist mit keiner anderen Tierart vergleichbar. Das kann ich nach zehn Minuten in Gesellschaft dieser Paarhufer nur bestätigen. Es stellen sich nach kurzer Zeit tatsächlich Zufriedenheit und ein Glücksgefühl ein.
Nach dem Ideenstart zogen im August 2014 die ersten drei Stuten auf dem Hof ein. Im Vorfeld hatte die gelernte Krankenschwester Linda mit der gesamten Familie einige Seminare besucht und Höfe besichtigt, um sich das notwendige Know How anzueignen. Heute bieten sie gemeinsam selbst auf dem Hof Grundlagen- und Zuchtseminare an und geben ihre Erfahrungen an zukünftige Halter und Züchter weiter. Die Herde zählt mittlerweile siebzehn Tiere. Neben Seminaren gibt es Hofführungen und Trekking Touren, ein Hofladen und drei Ferienwohnungen komplettieren das Angebot. Für die junge Frau sind die Aufgaben längst zum Vollzeitjob geworden. „Ab einer Herdengröße von neun Tieren ist es kein Hobby mehr“.
Wie sind die Aufgaben verteilt in der Familie? Neben Linda arbeitet auch die Mutter, ehemalige Krankenschwester, in Vollzeit auf dem Hof. Der Bruder Leon studiert in Dresden Lehramt und hofft, in der Region eine Stelle als Lehrer zu finden. Er unterstützt das Familienunternehmen an den Wochenenden und wird später zusätzlich auf dem Hof mithelfen. Das Familienoberhaupt ist unter der Woche auf Montage unterwegs und packt in der Freizeit mit an.
An ein sehr bewegendes Erlebnis erinnern sich Linda und Leon nicht so gern. Die erste Geburt auf dem Hof verlief dramatisch. Nur wenige Stunden danach verstarb die Mutter. Das Fohlen wurde liebevoll acht Monate per Hand aufgezogen. Eine schwierige und anstrengende Zeit für die ganze Familie. Heute ist das Flaschenkind Luna selbst Mutter, ein Wunder und nicht selbstverständlich nach dem schweren Start ins Leben. Jedes der Tiere hat einen Namen und Liebhaber können sich von ihrem Favoriten eine tierbezogene Bettdecke anfertigen. Die Wolle kommt in Säcke, wird mit dem Tiernamen gekennzeichnet und in die Bettenmanufaktur gebracht. Um am Ende nur die Wolle von einem Tier in die Bettdecke verarbeiten zu können, muss jeder Arbeitsschritt für jedes Produkt einzeln wiederholt werden. Linda ist ausgebildete Schererin und übernimmt die jährliche Schur.
Ein sehr schönes Ereignis aus dem letzten Jahr bleibt den Hanspachs auch in Erinnerung. Im Sommer 2019 fand das erste Hoffest mit 500 Besuchern statt. Überwältigt waren sie von so viel Interesse aber auch vom respektvollen Umgang mit den Tieren. Im Stall herrschten eine Ruhe und Gelassenheit und ein harmonisches Miteinander. Nicht umsonst sind Alpakas auch anerkannte Therapietiere und werden gern bei Menschen mit Behinderungen eingesetzt. Sie scheinen regelrecht zu spüren, was ihr Gegenüber im Moment braucht. So ging es mit ausgewählten Tieren der Hanspachs auch schon auf Altenheimtour bis ans Bett.
Die Entscheidung für ihr Alpakaland hat die Familie nie bereut. Wer sich allerdings für die Haltung und Zucht entscheidet, muss neben einen Sachkundenachweis zur Haltung der Tiere drei Bedingungen im Vorfeld prüfen: Heulieferant, Scherer und Tierarzt. Alles muss in der näheren Umgebung vorhanden sein. Die artgerechte Haltung in der Herde ist ebenfalls eine wichtige Voraussetzung. Ganz zum Schluss brennt noch eine Frage, die mir meine Kollegin aus dem Büro mit auf dem Weg gegeben hat. Die Antwort beruhigt: „Nein, die Tiere landen nicht auf dem Teller!“
zur Homepage: Alpakaland Oberlausitz
Text: Annett Miethe / Fotos: Paul Glaser