Das Jahr 1493 ist ja jetzt auch schon wieder eine Weile her. Selbst in Bautzen. Auf unserer Suche nach lausitzstarken Geschichten hat es Fotograf Paul Glaser und den Autor diesmal an die malerische Spree verschlagen. Lange bevor sie sich in der Bundeshauptstadt Berlin träge am Kanzleramt vorbeischlängelt, treibt der Fluss mit seinem Wasser hier seit über einem halben Jahrhundert Mühlräder an. Und hilft heute, feinste Öle und Senfe zu produzieren.

Doch nochmal zurück zu den Anfängen. Eine Drahtzieherei, so ist es den alten Unterlagen zu entnehmen, war der Ursprung der heutigen Hammermühle. In etwa 300 Jahre lang diente sie solchermaßen, bis sie 1767 zum Eisenhammerwerk wird und damit zur Geburtsstätte des späteren Bautzener Waggonbaus.

1888 erwarb der aus einem alten Cunewalder Müllergeschlecht stammende Carl Ernst Heinke den schon reichlich baufälligen Eisenhammer mit einer Vision vor Augen. Eine Getreidemühle wollte er an dieser Stelle errichten. Das Vorhaben verwirklichte er gemeinsam mit seinem Sohn Theodor Oswald Heinke, von dem das bemerkenswerte Zitat stammt „Erstellung tadelloser Qualitäten, nicht billige Massenerzeugnisse wurden erstrebt“. Noch im Oktober des gleichen Jahres begann das neue Mühlrad sich zu drehen und die Produktion konnte beginnen.

Bevor bedeutend größere Mehlmahlmühlen, die in der Umgebung entstehen, den Betrieb für die Heinkes unrentabel machen, entwickeln sie 1932 ein neues Geschäftsfeld. Aus einem Lehmbruch bei Bautzen beziehen sie den Rohstoff für fein gemahlene Heilerde, die unter dem Markennamen „Lusatia Siegelerde“ erfolgreich bis in den Orient verkauft wird. Bis in die 1950er Jahre konnte die Mühle damit wirtschaftlich betrieben werden. Dann kam eine staatliche Verordnung, die festlegte, dass der volkswirtschaftliche Bedarf an Heilerde zentral von anderer Stelle gedeckt wird und damit das vorläufige Aus für das Bautzener Produkt.

Der historische Rucksack, den Denise und Stephan Hierl sich mit der Rekonstruktion der Mühle zu einem produzierendes Industriedenkmal auf die Schultern geladen haben, wiegt schwer. Man sieht die Belastung der quirligen Juristin und dem ITler nicht an. Immerhin stellen sie die sechste Generation der Eigentümerfamilie, das verpflichtet. Aber es war wohl vor allem der Qualitätsgedanke, der sie wie das Wasser der hinter dem Haus rauschenden Spree antrieb, ein weiteres Erfolgskapitel im Hammermühlenbuch aufzuschlagen. „Bautzen ist bekannt als Senfstadt. Die Saaten können wir regional beziehen und den Senf bei uns handwerklich, auf Stein gemahlen, ohne Geschmacksverstärker und Zusatzstoffe produzieren.“

Auch das regional so typische Leinöl gibt es aus der Hammermühle. Geschmacklich in einer völlig anderen Dimension als industriell gefertigtes. „Die Kunden achten dabei besonders auf Frische. Die wollen genau wissen, wann Presstag war.“ In speziellen Senf-Workshops können Interessierte erfühlen, wie ein Produkt auf naturnahe Art entsteht, das man sich für gewöhnlich ohne großes Nachdenken aus dem Supermarktregal angelt. „Jeder kriegt einen Steinmörser und die Rohstoffe. Für uns ist es auch immer auch spannend zu sehen, zu welchen Sachen die Teilnehmer greifen. Das ist unsere kleine Marktforschung.“

Dass Kindergärten und Schulen diese Angebote nutzen würden, hatten sich die Hierls gedacht. Aber auch Seniorengruppen melden sich an „und bringen dann fast immer alte Geschichten der Hammermühle mit, manchmal sogar alte Fotos.“ Anregungen zu neuen Kreationen bietet die Region reichlich. Dank einer Aronia-Plantage in Eulowitz wird Apfel-Aronia-Senf produziert. Die berühmten Kamenzer Würstchen riefen nach einem speziellen Kamenzer Würstchensenf. Der Sohn einer Geschäftspartnerin ist Whiskyhändler, also gibt es jetzt einen Whisky-Senf. „Aber nicht mit Aromen, da kommt natürlich das Original rein.“ Auch die Kunden geben Impulse. Meerrettich-Senf wollten sie haben. „Haben wir gemacht, natürlich mit frischem Meerrettich.“ Selbst die Geschmäcker sind von Ort zu Ort unterschiedlich. „In Burkau geht nur Herzhaftes.“

Den Hierls sind regionale Kooperationen ganz wichtig. So haben sie, anfangs im Mühlengelände, einen Ostermarkt aufgezogen, der bald schon aus den Nähten platzte. Mit vielen eher kleinen Produzenten, die wie sie auf Qualität setzen. „Und da kann ich den Kunden noch so viel erzählen. Hilft nicht. Probieren müssen sie können. Geschmack ist Erinnerung und Kosten ist viel wichtiger als Reden.“ Immer mehr Käufer interessieren sich für die Produktionsketten. „Wo bezieht ihr die Saat her, wie genau produziert ihr, wo lagert ihr? Je ehrlicher man hier ist, desto tiefer wird die Bindung.“

Wohin die Reise geht, will Stephan Hierl noch nicht ganz genau verraten. Nachdem die historische Mühle als Produktionsstätte inzwischen in einem tadellosen Zustand ist, wird er, das scheint sicher, die Hände nicht in den Schoß legen. Ein großer Seitenflügel des Gebäudes ist schon weitgehend saniert. Urahn Carl Ernst Heinke kann stolz sein auf seine Nachfahren.

zur Homepage: Hammermühle

Text: Axel Krüger / Fotos: Paul Glaser